In den vergangenen Jahren ist deutlich geworden, dass Beschaffungsexpert:innen von zentraler Bedeutung für die strategische Beschaffung und das Category Management von Unternehmen sind. Kleine und mittelständische Unternehmen können sich jedoch häufig keine eigene Beschaffungsabteilung leisten, geschweige denn ein Heer von Fachleuten für strategische Beschaffung. Für diese Unternehmen ist die Beschaffung oft eine Aufgabe, die der Personal- oder Finanzabteilung überlassen wird. Denn meist wissen sie nicht, welchen Wert und welche Einsparungen ein starker Beschaffungsprozess bringen kann. Die Folge: Es wird erst dann reagiert, wenn ein Bedarf entsteht. Und viele vermeiden die Durchführung von Ausschreibungen aufgrund fehlender Kenntnisse oder weil der Prozess zu kompliziert und langwierig erscheint. Verbranntes Geld!

Der technologische Fortschritt und die Pandemie haben dazu geführt, dass virtuelle Arbeitsformen zur Normalität geworden sind. Deshalb ist die virtuelle Beschaffung sowohl für kleine als auch mittlere Unternehmen eine praktikable Option. Wie der Begriff sagt, werden die Dienstleistungen virtuell von hochqualifizierten und erfahrenen Beschaffungsexpert:innen erbracht, sodass nicht notwendigerweise Mitarbeitende vor Ort eingestellt werden müssen. Bei personellen Engpässen oder in Krisenzeiten kann die virtuelle Beschaffung der bestehenden Beschaffungsabteilung eine grosse Unterstützung sein. In beiden Fällen ermöglicht sie den Transfer von Fachwissen.

Da Unternehmen und Beschaffungsteams mit ständigen Unterbrechungen und Engpässen in der Lieferkette konfrontiert sind, kann die virtuelle Beschaffung ein wichtiger Bestandteil des Risikomanagements werden. Darüber hinaus sind die Dienstleistungen projektbasiert und haben einen gezielten Return on Investment. Diese Dienstleistungen können beispielsweise sein:

  • Eine Vertragsverlängerung oder -neuverhandlung, um günstigere Bedingungen und Preise zu erzielen
  • Die Erstellung eines wettbewerbsfähigen Angebots
  • Die Auswahl passender Lieferanten
  • Ein vollständiges End-to-End-Projekt einschliesslich Projektmanagement für die Implementierung einer Lösung

Wie sieht das in der Praxis aus?

Videoanrufe sind inzwischen selbstverständlich und werden fast schon als persönlicher empfunden als ein Telefonanruf. Einkaufsexpert:innen können nicht jeden ihrer Lieferanten oder Kund:innen persönlich kennen – auch wenn das gut wäre. Zudem können problemlos weitere Personen zu einem Gespräch hinzugezogen werden, egal wo sie sich aufhalten. Dank Bildschirmfreigabe können Dokumente miteinander geteilt werden. Weiterer Vorteil: Sie können unmittelbar die Reaktionen Ihrer Gesprächspartner:innen sehen und darauf reagieren.

Im Bereich der Komponenten- und Teilebeschaffung sind häufig Bilder höchst hilfreich. Smartphones bieten potenziell eine sehr gute Möglichkeit, Probleme zu lösen und mit Lieferanten in einer Echtzeitumgebung zu kommunizieren. Bereits vor der Pandemie wuchs die Beliebtheit digitaler Bilder, ihr Nutzen hat sich jedoch ausgeweitet. Ein Videogespräch zwischen Ingenieur:innen und Lieferanten, in dem es um ein defektes Teil geht, spart Zeit und Geld und sorgt für eine unmittelbare Verbesserung der Produktqualität.

Selbst virtuelle Werkbesichtigungen sind heute schon möglich. Der Rundgang kann so gestaltet werden, dass die für Sie oder andere virtuelle Besucher relevanten Bereiche, zum Beispiel Fertigungsprozesse, gezeigt werden. Virtuelle Lieferantenbesuche sparen, wenn sie richtig durchgeführt werden, Zeit und Geld für Einkäufer:innen und den Lieferanten.

In vorhergehenden Blogbeiträgen habe ich deutlich gemacht, dass ich persönliche Kontakte und Lieferantenbesuche vor Ort für sehr wichtig halte. Daran hat sich nichts geändert. Hochglanzprospekte und Präsentationen spiegeln oftmals nicht die Realität wider und in einem persönlichen Gespräch lassen sich viele Themen einfacher besprechen. Es wird sicherlich immer Zeiten geben, in denen wir Lieferanten bequem besuchen oder empfangen können. Diese sollten wir nutzen. Virtuelle Beschaffung wurde aus der Not geboren, um alle Unwägbarkeiten der Pandemie zu meistern. Doch auch Kriege oder steigende Energiekosten zwingen uns zu neuem Denken. Ausserdem können virtuelle Beschaffungsdienste der Weg in die Zukunft für kleine und mittlere Unternehmen sein.