Lieferketten sind in den vergangenen Jahren immer komplexer geworden und Unternehmen sind auf die Flexibilität und Produktinnovationen ihrer Lieferanten angewiesen. Wir stellen zwar fest, dass aufgrund der Erfahrungen der Pandemiejahre und des Ukraine-Kriegs ein Umdenken stattfindet, doch eine Umstellung wird nicht von heute auf morgen stattfinden. Beschaffungsmanager:innen müssen weiterhin lange Lieferzeiten, Rohstoffengpässe und zunehmende ESG-Anforderungen in den Griff bekommen.

Um die Komplexität des Beschaffungsprozesses zu bewältigen, finde ich die Spieltheorie einen hilfreichen und sehr spannenden Ansatz. Sie versetzt das Beschaffungswesen von einer taktischen in eine hoch strategische Rolle. Sie ermöglicht Beschaffungsexpert:innen,  Märkte aktiv zu beeinflussen und zu gestalten, auf denen Unternehmen tätig sind. Sie werden zum Treiber einer funktionierenden Wettbewerbslandschaft, anstatt die «Spielregeln» der anderen Marktteilnehmenden zu akzeptieren. So kann die Beschaffung den Wettbewerb zwischen Lieferanten fördern und vorantreiben, ihnen Anreize bieten, die eigene Unternehmensstrategie umzusetzen oder sie dazu motivieren, mehr in Forschung und Entwicklung sowie Innovation zu investieren, um bessere Qualität, zuverlässigere Lieferketten und marktführende Geschäftsbedingungen zu liefern. Das Resultat: Bessere Ergebnisse für das gesamte Unternehmen in allen Dimensionen.

Die Spieltheorie ist eine der beliebtesten Optimierungstechniken zur Unterstützung der Entscheidungsfindung. Sie nimmt inzwischen einen besonderen Platz in der Wirtschaft und im Management ein, denn auf dem Markt treffen Unternehmen eine Reihe von Entscheidungen, die Spielzügen ähneln. Die Theorie beschreibt Situationen, in denen die Beteiligten bewusst verschiedene Entscheidungen treffen, die zu einer Lösung führen, die ihre Position verändern kann. Meist geht es um Konfliktsituationen. Es können aber auch Situationen auftreten, in denen die Interessen der Akteure zwar miteinander vereinbar sind, es ihnen aber schwer fällt, die Vorgehensweise zu bestimmen. Die Spieltheorie versucht quasi zu beschreiben, wer in verschiedenen Situationen gewinnen und wer verlieren wird.

Die Spieltheorie wird im Beschaffungswesen häufig angewandt – bewusst oder unbewusst. Die geläufigsten Beispiele sind die Gestaltung von Ausschreibungsverfahren und Verhandlungen. Sie verbessert die Ergebnisse aller Entscheidungsfindungsszenarien in der Beschaffung erheblich, einschliesslich komplexer, funktionsübergreifender Beschaffungsaktivitäten, jährlicher Preisverhandlungen, Make-or-Buy-Entscheidungen oder Outsourcing-Projekten.

Wichtige Grundlagen, um die Spieltheorie in der Praxis umzusetzen, sind folgende Überlegungen:

  • Denken Sie sorgfältig darüber nach, ob Ihr Anliegen für den Einsatz der Spieltheorie geeignet ist und wirklich Vorteile für Sie bringt. Möchten Sie Kosten einsparen? Perfekt! Handelt es sich um sehr komplexe Vorgänge, ist es häufig sinnvoller, eine andere Strategie anzuwenden.
  • Wenn Sie «spielen» möchten, überlegen Sie bei der Planung genau, welche Ziele Sie verfolgen: Eine innovative Lösung, niedrige Kosten oder die Option mit dem geringsten Risiko? Wenn alle Beteiligten zustimmen, die Entscheidung des Verfahrens verbindlich anzunehmen, sind natürlich auch Sie an das Ergebnis gebunden.
  • Ihr Ziel ist die langfristige Vereinbarung mit einem Ihrer Lieferanten. Stellen Sie daher sicher, dass Sie während des Verhandlungsprozesses eine gute Grundlage für diese Beziehung schaffen. Alle beteiligten Akteure müssen verstehen, wie das Verfahren funktioniert, welchen Zweck es verfolgt und wie es in den allgemeinen Beschaffungsprozess eingebunden wird.
  • Und nun wird es wirklich spielerisch: Einerseits ist es wichtig, den Verhandlungspartner:innen während des Verfahrens Transparenz zu bieten, um Anreize zu bieten. Andererseits muss ein Gleichgewicht gefunden werden, um den Wettbewerb so weit wie möglich aufrechtzuerhalten. Lassen Sie sich also nicht zu früh in die Karten schauen,  indem Sie beispielsweise interne Zwänge oder das gewünschte Ergebnis offenlegen.
  • Fehlende Flexibilität bei Verhandlungen ist ein häufiger Fehler. Da die Spieltheorie für viele Neuland ist, sollten Sie ausreichend Zeit einplanen. An der ein oder anderen Stelle des Prozesses könnte es zu grösserem Diskussionsbedarf kommen.

Haben Sie Fragen zur Spieltheorie oder denken Sie darüber nach, eines Ihrer Projekte damit auf den Weg zu bringen? Ich begleite Sie gerne: KONTAKT